„Ich wollte in den Osten“
VON UNDINE FREYBERG
BURGLIEBENAU/MZ. „Mein Sohn meinte neulich: ,Ich wollte dich eigentlich anrufen, aber ich hab’ mich nicht getraut. Du bist ja immer auf Sendung.’“ Jürgen Kerber (63) lacht. „Er hätte ruhig anrufen können. Das macht ja alles die KI.“
Aus dem beschaulichen Burgliebenau geht nämlich seit einigen Monaten eine Radiosendung on air.
„Disco Pur “ als Stream von Pur Radio Wien.
Kerber hat einiges an Radiound Musikerfahrung: Mit 17 Jahren
war er als DJ Rufus der jüngste Profi-DJ im Saarland, wo er ursprünglich herstammt. Daher rührt auch der Name „dee jay Rufus“ für seine aktuellen Musikprojekte, die er in
seinem eigenen Musikverlag umsetzt. Seine Radiokarriere begann bei einem Piratensender in Frankreich. Dann hat er bei Radio RVN eine deutsche Sendung gemacht. Das sei 1983/84 gewesen. „1990 bin ich zu Radio Ton in Bad Mergentheim gegangen und von dort zu Antenne Stuttgart. Ein paar Jahre nach der Wende wurde ich gefragt, ob ich nicht in den Osten gehen will. Und ich wollte. Ich wollte in den Osten. Das war Abenteuer.“ Seine erste
Sendung bei einem halleschen Radiosender moderierte er Ostern
1993. Als im Frühjahr 1994 das Hochwasser kam, habe er alle 20
Minuten die Pegelstände durchgesagt und seine Nachmittagssendung nicht nur um eine Stunde verlängert, sondern die ganze Nacht durchgesendet. „Dafür bin ich damals sogar von Landrat Knut Bichoel geehrt worden, weil die Leute
dadurch informiert waren und Aktionen koordinieren konnten“, erinnert sich Jürgen Kerber. Nach drei Jahren im Osten habe
man ihn dann gefragt, ob er in den Westen zurückkommen würde
und fragte, wie es aussieht. „Und ich sagte: Schwierig – wenn ich zurückkommen würde, müsste ich ja bekloppt sein“, erzählt Kerber, der dann für den Sender in SachsenAnhalt die Veranstaltungsabteilung aufgebaut hat. „Dasselbe hab
ich dann in Niedersachsen und Sachsen gemacht. Dann sollte ich
mir von jetzt auf gleich etwas für die Präsentation unseres Senders auf der Cebit einfallen lassen. Das Thema war Surfen. Dafür hab’ ich dann ein paar Tonnen Sand ranfahren lassen. Unser Strand war der Hit. Von dem Sand hatten die dort
allerdings noch ziemlich lange was.“ Irgendwann habe er jedoch
beim Privatradio aufgehört, habe seine eigene Firma gegründet – zuerst den Musikverlag Jay Kay Music, dann noch eine Eventfirma. Daraus wurde am Ende dann JayKay Event & Music. Er produziert
Schlager und Dance Music, hat mittlerweile dreimal den Deutschen Rock- und Pop-Preis abgeräumt.
Das Medium Radio hat ihn allerdings nie wirklich losgelassen. „Irgendwann hab’ ich dann von Pur Radio Wien gehört, dass bei denen ein Stream frei wird. Und da hab ich zugeschlagen.“ Pur Radio Wien habe verschiedene Streams wie Schlager Pur oder Oberkrainer Pur. „Und da ich total Bock drauf hatte, mal wieder Radio zu machen, ging’s dann los – mit ’Disco Pur ’.“
Mittlerweile habe er 400 WortTakes, quasi Moderationsbausteine mit Musik aufgenommen. „Eine
Software hat dann von mir Parameter vorgegeben bekommen, wann sie sich was greifen soll.“ Und so sei ein Rund-um-die-Uhr-24-Stunden-Programm entstanden.
„Es sind schon Leute darauf reingefallen, die Angst hatten mich zu besuchen, weil sie dachten, dass ich auf Sendung bin“, sagt der Radiomann grinsend, dessen Sendung aus dem Studio „Burg 7“ kommt, was für Burgliebenau stehen soll.
„Wie gesagt. Das ist alles vorproduziert und läuft über ein KI-System. Das Besondere ist, dass ich nur Musik spiele, die ich als DJ aufgelegt habe oder die ich heute als DJ auflegen würde – neue Songs, gecoverte Titel, Oldies, Schmusesongs.“ Er wüsste selbst nicht, wann was laufe. Und was gibt’s außer Musik noch so auf die Ohren? Es gebe die Witze-Kathi – das sei ein Element der Sendung. „Dann haben wir Pias Lebenslösungen – einfach kurze
Sprüche. Aber es gibt kein Wetter, keinen Verkehr, keine Nachrichten– nichts, was stört und nichts Böses.“ Nur heile Welt für Leute zwischen 30 und 70. „Und wann sind
wir gestartet?! Richtig: am 7. Oktober um sieben Uhr sieben.